#30 Von Au Pair zu (zukünftigem) Au Pair - Tipps für's Matching

So, meine Lieben - hier dreht sich mal alles rund um das Thema Au Pair und Matching - damit's klappt mit der richtigen Gastfamilie. Richtet sich also hauptsächlich an all die zukünftigen Au Pairs, die gerade in der heißen Phase stecken. Genau vor einem Jahr habe ich an exakt demselben Punkt gestanden und wenn ich an diese Zeit und mein "damaliges Ich" zurückdenke, kann ich mich erinnern, dass ich dankbar für jeden Tipp und Hinweis war. Deshalb habe ich mich mal hingesetzt und ein paar Punkte aufgeschrieben, die ich (vor allem rückblickend) als wichtig ansehe und zukünftigen Au Pairs gerne mit auf den Weg geben möchte... Here we go:

1. Die Frage aller Fragen ist wohl: "Soll ich wirklich für ein Jahr als Au Pair ins Ausland gehen? Passt das Ganze überhaupt zu mir?"

Ich habe bisher wohl noch kein Au Pair getroffen, das ausschließlich hier ist, um auf Kinder aufpassen zu dürfen. Die Kleinen können unglaubliche Engel sein, im nächsten Moment treiben sie dich aber in den Wahnsinn. Klar kommt man mit der Hoffnung hier an, neue Leute kennenzulernen, sein Englisch zu verbessern und viel zu reisen. Mit dieser Einstellung bin nicht nur ich nach Amerika gekommen, sondern wahrscheinlich so gut wie jedes andere Au Pair auch. Und das sind definitiv Dinge, die man hier auch erlebt und wozu sich das Au Pair Jahr gut anbietet. TROTZDEM darf man nie vergessen, dass das Au Pair Dasein wie ein Vollzeitjob ist. Man arbeitet 45h pro Woche, manchmal 10h am Tag und ist dabei permanent von Kindern umgeben, für die man oft die alleinige Verantwortung trägt. Man hat zwei Wochen Urlaub - und das in 12 Monaten! Eine gewisse Erfahrung mit Kinderbetreuung ist daher sehr wichtig und man sollte defintiv mit Kindern klarkommen und auch in gewissem Rahmen Zeit mit ihnen verbringen wollen. Macht euch jetzt aber keinen zu großen Kopf und denkt, ihr müsst die absolute Supernanny abgeben. Kaum ein Au Pair ist permanent suuuper engagiert. Man muss sich eben nur bewusst sein, dass es (entgegen der Vorstellung vieler Leute) ein oft sehr stressiger Job ist, der einem vieles abverlangt. Wenn man sich dessen allerdings bewusst ist und man nicht mit dem Ziel hierhin kommt, ein ausschließlich entspanntes Jahr zu erleben, dann ist das alles machbar und man kriegt das Kind schon geschaukelt :P

2. Sich auf Einschränkungen einstellen und Erwartungen herunterschrauben

"Ich möchte, dass meine Gastfamilie wie eine zweite Familie für mich wird" ist wohl ein Gedanke, der vielen zukünftigen Au Pairs durch den Kopf geht. Ist auch vollkommen nachzuvollziehen und wird sich bei einigen Au Pairs bestimmt realisieren. Allerdings längst nicht bei allen. Sicher, man wird zu einem Teil in die Gastfamilie aufgenommen, erlebt Dinge gemeinsam, macht vielleicht zusammen Urlaub und hat Spaß. Doch letztendlich darf man nie vergessen, dass das Verhältnis Au Pair - Gatsfamilie auch ein Arbeitsverhältnis ist. Es gibt natürlich immer Gegenbeispiele, aber viele Gastfamilien lassen einen letztendlich (oft unbeabsichtigt) schon spüren, dass man eben die Person ist, die "nur" auf die Kinder aufpasst. Deine Gefühle werden nicht so respektiert, wie man es bisher von seiner eigenen Familie zuhause gewohnt war. Man fühlt sich immer zu einem gewissen Grad fremd, muss sich in seiner Privatsphäre zum Teil groß einschränken (logisch, man lebt mit einer zunächst vollkommen fremden Familie in ihrem Haus), man fühlt sich als Mädchen für alles, bemüht sich so gut man kann und am Ende des Tages wird die Arbeit nicht so wertgeschätzt, wie man es sich wünscht. Das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, wird man hier wahrscheinlich häufiger haben, als in seinem gesamten Leben zuvor. Alles Dinge, die ich selbst nur zu gut kenne und befreundeten Au Pairs geht es genauso. Man muss sich einfach von der Vorstellung verabschieden, dass es DIE perfekte Gastfamilie gibt. Denn die gibt es nicht. Allerdings sollte man sich immer in Erinnerung rufen, dass es ganz selbstverständlich ist, dass einem ein Jahr in Amerika mit vielen Möglichkeiten, neue Dinge zu erleben, auch nicht einfach geschenkt wird. Und wenn man dann in seinem Reisemonat ist, im Urlaub in Florida am Strand liegt oder am Wochenende durch New Yorks Straßen läuft, denkt man sich oft - Ok, dafür ist es das Ganze wert. Das Au Pair-Jahr ist tatsächlich wie eine Achterbahn, es gibt immer wieder Hochs und Tiefs. Aber letztendlich werden negative Erfahrungen verblassen, aber auf die positiven, einzigartigen Momente wird man auch Jahre später noch zurückblicken können. Und außerdem sind es gerade die vielen Herausforderungen, die einem helfen, sich weiterzuentwickeln und an seinen Aufgaben zu wachsen.

3. Jetzt aber zum eigentlichen Knackpunkt, dem Matching. Ganz wichtig ist meiner Meinung nach der Kontakt zum vorherigen Au Pair.

Und damit ist auch die DIREKTE Vorgängerin gemeint. Es gibt Gatsfamilien, die hatten bereits 6 Au Pairs. Davon hatten 2 eine super Zeit und die anderen 4 haben alle abgebrochen. Wenn es dann zum Kontakt mit der Gastfamilie kommt, versuchen die Familien eventuell das Negative zu verschleiern und lassen das potentielle nächste Au Pair nur mit einer der beiden zufriedenen Vorgängerinnen in Kontakt treten. Der Rest wird verschwiegen oder es wird nur die halbe Wahrheit erzählt. Manchmal hatten auch alle früheren Au Pairs eine tolle Zeit in der Familie, dann hat sich allerdings etwas Entscheidendes verändert (Gatsmutter arbeitet plötzlich von zuhause aus, es tauchen Verhaltensprobleme bei Kindern auf und so weiter und sofort) und die unmittelbare Vorgängerin ist die Einzige, die das mitbekommen hat. Deshalb ist es wichtig, sich auch mit der direkten Vorgängerin auszutauschen. Und wenn das aus irgendeinem Grund laut Gastfamilie angeblich nicht möglich ist, sollte man auf jeden Fall nachhaken.

4. Nicht nur ein Mal mit der Gastfamilie skypen und sich das Haus/Zimmer zeigen lassen

Ganz wichtig ist wie ich finde auch, dass man nicht nur ein paar E-Mails mit der möglichen Gatsfamilie hin- und herschickt, sondern auch wirklich skypt - und das mehrmals. Durchs Skypen merkt man, ob die Chemie wohl einigermaßen stimmt. Es ist zwar im ersten Moment sehr unangenehm und man ist wahnsinnig aufgeregt, aber man "steht" sich virtuell quasi gegenüber und bekommt ein besseres Gefühl davon, wie das Gegenüber tickt. Da kann man sich dann oft auch ein bisschen auf das Bauchgefühl verlassen. Außerdem wichtig ist, dass man sich zeigen lässt, wo man während des Au Pair Jahres leben wird. Es gibt Au Pairs, die leben in den reichsten Gastfamilien mit den tollsten Häusern, wohnen selbst aber sozusagen in einer Besenkammer, im Keller ohne Fenster oder müssen sich ein einziges Bad mit der ganzen Familie teilen. Man hat sowieso schon wenig Privatsphäre als Au Pair, da sollte man sicherstellen, dass man wenigstens ein einigermaßen angemessenes Zimmer hat, in das man sich auch mal zurückziehen kann. Man darf natürlich keinen Luxus erwarten, aber man muss sich wohlfühlen können, denn es geht immerhin um ein ganzes Jahr.

5. Sich selbst klar sein, was man will und konkrete Fragen stellen, um die "Art" der Gastfamilie kennenzulernen

Es gibt viele sehr unterschiedliche "Sorten" von Gastfamilien. Es gibt Familien, da arbeitet mind. ein Elternteil von zuhause, sie haben immer ein Auge auf die Kids und kontrollieren gerne. Da kann es sein, dass man sich immer unter Beobachtung fühlt und es ist vielleicht schwerer, sich Autorität zu verschaffen. Dann gibt es Familien, in denen beide Elternteile volltags arbeiten, ihre Kinder fast nie sehen, sondern sie nur an Au Pair plus zusätzliche Nanny abschieben. Da fühlt man sich eventuell mal schnell überfordert und alleine gelassen. Vor allem mit dem vorherigen Au Pair sollte man also unbedingt darüber sprechen, wie die Familie so tickt. Kinder sind oft noch in gewisser Weise zu beeinflussen, aber wenn man ein schlechtes Verhältnis zu den Gasteltern hat (weil sie in vielen Punkten eventuell vollkommen andere Ansichten haben, als man selbst), kann es einem das Leben sehr schwer machen. Konkrete Fragen sollten u.a. sein:

  • Wie sieht mein schedule (Arbeitsplan) aus? Halten sich die Gasteltern wirklich an die Regeln (max. 45h die Woche, nie mehr als 10h am Tag, 1 1/2 freie Tage pro Woche und ein komplett freies Wochenende im Monat sowie 2 Wochen bezahlten Urlaub)? Viele Gasteltern 'vergessen' solche Regelungen oft mal und teilen einen ein, wie es ihnen am besten passt. Als Au Pair sagt man oft nichts, einfach weil man Bedenken hat, dass sich das Verhältnis zu den Gasteltern verschlechtern könnte und man von ihnen abhängig ist. Es gibt Familien, die geben dem Au Pair am Sonntagabend einen Arbeitsplan mit festen Zeiten. Diese Au Pairs arbeiten teilweise auch wirklich auf dei Sekunde genau ihren Plan ab, egal ob die Eltern längst übernehmen könnten oder nicht. Andere Au Pairs müssen sehr flexibel sein, auch spontan einspringen, wann immer sie gebraucht werden und können so ihre Freizeit schlechter planen - haben aber im Gegnzug auch mal früher frei. Sowas auf jeden Fall abklären!
  • Wie ist meine Wohnsituation? (Zimmer, Bad, WO ist das Zimmer (auf derselben Etage wie Kinderzimmer,...?))
  • Wenn die Gastfamilie Urlaub macht, wird erwartet, dass ich mitkomme und arbeite? Oder darf ich zuhause bleiben, muss aber z.B. auf den Hund aufpassen und kann deshalb selbst nicht wirklich weg?
  • Steht mir in meiner Freizeit ein Auto zur Verfügung? Muss ich für Spritkosten selbst aufkommen? Gibt es alternativ öffentliche Verkehrsmittel? (zur Info: in Amerika ist man komplett ohne Auto fast überall aufgeschmissen, es sei denn man wohnt mitten in der Großstadt)
  • Welche Aufgaben muss ich im Haushalt übernehmen? (Es gibt Gasteltern, die vom Au Pair verlangen, die Kinderzimmer richtig zu putzen, das Haus zu saugen usw, obwohl es gegen die Regeln ist!! Einigen ist das egal oder sie wissen es nicht. Andere spannen einen für alle möglichen Erledigungen ein, Auto in Werkstatt/ in die Waschstraße bringen zum Beispiel und rechnen das nicht in die Arbeitszeit mit ein...)

6. Welcher Typ Au Pair wird gesucht?

Es gibt Familien mit sehr kleinen Kindern und es gibt Familien mit Teenagern. Je nachdem, in was für eine Familie man kommt, kann der Alltag als Au Pair komplett verschieden aussehen. Nicht nur die Arbeitszeiten sind unterschiedlich, auch die Aufgaben. Kommt natürlich auch immer darauf an, was einem selbst eher liegt, jüngere oder ältere Kinder. Auf Kleinkinder, die vielleicht noch nicht mal in die preschool gehen, muss man permanent ein Auge haben, Windeln wechseln, Geschrei aushalten und und und. Kinder im mittleren Alter (ungefähr 4-9) muss man oft zuhause beschäftigen. Amerikanische Kids sind meistens so an ständige Betreuung gewöhnt, dass sie sich kaum eine Minute selbst beschäftigen können. Kids über 10 sind dafür schon halbe Teenager, stur, fassen langsamer Vertrauen und sind vielleicht nicht so liebevoll dem Au Pair gegenüber. Dafür muss man sie dann vielleicht hauptsächlich zu Aktivitäten fahren und weniger zuhause beschäftigen. Da stellt sich dann auch wieder die Frage, ob man selbst gerne Auto fährt bzw. einigermaßen sicher fährt - was hier in Amerika von Vorteil ist.

Ihr seht, ich könnte einen ganzen Roman über dieses Thema schreiben und es gibt sicherlich noch haufenweise mehr, was man an dieser Stelle an Tipps und Ratschlägen geben könnte.... Mehr ist mir gerade aber nicht eingefallen und vielleicht ist dem Ein oder Anderen damit ja schon mal geholfen. Ich weiß, das klang teilweise jetzt etwas negativ und ich hoffe, ich hab da bei Niemandem unbegründete Zweifel hervorgerufen oder so. Aber da ich mir genau vorstellen kann, wie es den zukünftigen Au Pairs gerade geht und man ja mit dem, was man selbst erlebt hat, so gut es geht helfen will, muss man auch mal Schattenseiten ansprechen. Alles in allem muss man jedoch alles in Relation sehen und darf sich eben nicht von absoluten Traumvorstellungen blenden lassen. Kein Au Pair-Jahr ist perfekt und keine Gastfamilie ist perfekt. Aber wer kann schon von sich selbst sagen, das perfekte Au Pair zu sein? Wenn man also Geduld hat und bei der Gasfamiliensuche die Augen offen hält, steht einem erfolgreichen Jahr im Ausland nichts mehr im Weg. Und bloß nicht die erstbeste Familie nehmen, aus Ansgt, sonst keine andere mehr zu finden! Ich selbst hab es nie bereut, als Au Pair weggegangen zu sein und ich würde jedem empfehlen, die Chance zu nutzen, für eine gewisse Zeit ins Ausland zu gehen.
Also allen da draußen ganz viel Erfolg und falls jemand noch Fragen hat, immr her damit!

 

 Alles Liebe

- Leonie